Kongresszusammenfassung

Highlights vom ESMO-Kongress 2023

Klinische Fortschritte bei der Behandlung von Brustkrebs im Frühstadium und fortgeschrittenem Brustkrebs mit hohem Risiko

Highlights vom ESMO-Kongress 2023


Abstract

Der Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2023 fand in Madrid (Spanien) statt und wurde von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt besucht. Experten aus verschiedenen Onkologiebereichen diskutierten die Fortschritte bei Diagnose und Screening auf verschiedene Krebsarten, bestehende und neue Krebstherapien, Daten aus klinischen Studien und Managementstrategien bei Krebs.

In diesem Übersichtsartikel werden die wichtigsten Aspekte bei der Behandlung von frühem und fortgeschrittenem HR-(Hormonrezeptor-)positiven und HER2-(Human Epidermal Receptor 2-)negativen Brustkrebs auf der Grundlage der auf dem Kongress vorgestellten Abstracts erörtert. Die Abstracts behandeln die Wirksamkeit von Abemaciclib, einem CDK-(Cyclin-Dependent Kinase-)Inhibitor, den Einfluss der Therapieadhärenz auf die Wirksamkeit und neue klinische Daten zu Imlunestrant, einem selektiven Estrogenrezeptor-Degrader (SERD).


Wirksamkeit von Abemaciclib bei Brustkrebs im Frühstadium mit hohem Risiko – Erkenntnisse aus der monarchE-Studie

Abemaciclib ist ein oraler selektiver CDK4- und CDK6-Inhibitor, der in Kombination mit endokriner Therapie für die Behandlung von fortgeschrittenem HR+/HER2- Brustkrebs zugelassen ist.

In der monarchE-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von Abemaciclib bei Patientinnen mit frühem nodalpositiven HR+/HER2- Brustkrebs mit hohem Risiko beurteilt. Die Behandlung mit Abemaciclib als Adjuvans zur endokrinen Therapie führte zu einer signifikanten Verbesserung des invasivkrankheitsfreien Überlebens (Invasive Disease-Free Survival, IDFS) und des fernrezidivfreien Überlebens (Distant Relapse-Free Survival, DRFS). Darüber hinaus bleibt der Behandlungsnutzen über mehr als 2 Jahre nach Behandlungsende erhalten.

Der Restnutzen von Abemaciclib hielt für bis zu 5 Jahre nach dem Ende der zweijährigen Behandlung an (während die endokrine Therapie fortgesetzt wurde), wobei die absoluten Verbesserungsraten bei IDFS 7,6 % und bei DRFS 6,7 % betrugen. Daten aus der Langzeitnachbeobachtung werden den potenziellen Nutzen für das Gesamtüberleben zeigen. Insgesamt wurden klinisch bedeutsame und robuste Reduktionen des Risikos für eine invasive und unheilbare metastasierte Krankheit bei Hochrisikopatientinnen festgestellt. Die Ergebnisse der monarchE-Studie sprechen somit für die Anwendung von Abemaciclib bei der Behandlung von Hochrisikopatientinnen mit HR+/HER2- Brustkrebs.

Goetz et al. untersuchten den prognostischen und prädiktiven Einfluss von Biomarkern auf Behandlungsendpunkte und Nutzen von Abemaciclib anhand einer Analyse der Daten aus der monarchE-Studie. Der Fokus lag dabei auf der Expression des Estrogenrezeptors (ER)/Progesteronrezeptors (PR) und von Ki-67 (einem Marker der Zellproliferation). Laut ihren Erkenntnissen profitierten alle Patientinnen von der Abemaciclib-Behandlung, und zwar unabhängig von ihrem ER/PR- und Ki-67-Expressionsstatus. Ähnlicher Nutzen hinsichtlich des IDFS ergab sich für Patientinnen mit ER+/PR+ und ER+/PR- Tumoren. Bemerkenswert ist, dass eine Ki-67-Expression von ≥ 20 % und PR-Negativität zwar mit schlechteren klinischen Ergebnissen assoziiert waren, aber keinen Prädiktor für den Behandlungsnutzen von Abemaciclib darstellten.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Patientinnen mithilfe der Biomarker nicht im Hinblick auf den Behandlungsnutzen stratifiziert werden konnten, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Abemaciclib als adjuvante Behandlung der Wahl für Hochrisikopatientinnen infrage kommt. Darüber hinaus stützt ein robuster und anhaltender IDFS- und DRFS-Nutzen seine Anwendung bei Patientinnen, die nicht gut auf Chemotherapie und endokrine Therapie angesprochen haben. Da der Nutzen jedoch über mehr als zwei Jahre erhalten bleibt, wäre es wichtig, die ideale Behandlungsdauer zu ermitteln, wobei es das Risiko gegenüber dem Behandlungsnutzen abzuwägen gilt.

O'Shaughnessy et al. untersuchten anhand einer Analyse der Daten aus der monarchE-Studie die Auswirkungen einer Dosisreduktion auf die Wirksamkeit der Behandlung. Ein Ergebnis war, dass 44 % der Studienteilnehmerinnen eine Dosisreduktion benötigten, um behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (UE) zu kontrollieren. Außerdem veränderte eine Dosisreduktion das IDFS nicht in bedeutsamer Weise; nach relativer Dosisstärke gebildete Gruppen von ≤ 66 %, 66–93 % und ≥ 93 % zeigten IDFS-Raten von 87,1 %, 86,4 % bzw. 83,7 %. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Reduktion der Abemaciclib-Dosis keinen signifikanten Einfluss auf die Wirksamkeit hat, kann Abemaciclib als wirksame Alternative für einen Behandlungsabbruch wegen UE betrachtet werden. Eine Dosisreduktion a priori, obwohl keine Toxizität vorliegt, ist aber wahrscheinlich nicht ideal und könnte die Wirksamkeit der Behandlung beeinträchtigen. Die Autoren führten dabei aus, warum es praktischer ist, mit der Standarddosis zu beginnen und die Dosis bei Auftreten von UE zu senken, als von Anfang an eine niedrigere Dosis mit geringerer Wirksamkeit zu geben.

Regelmäßige anfängliche Kontrolluntersuchungen können dem Arzt helfen, die optimale Dosis zu bestimmen, die wirksam ist und nur minimale Toxizität aufweist, und der Patientin besseren Behandlungsnutzen bringen.

Abemaciclib induziert nicht nur eine Unterbrechung des Zellzyklus, sondern fördert auch die Apoptose, und besitzt damit kuratives Potenzial bei der Behandlung von Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko. Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse die hohe Wirksamkeit von Abemaciclib bei der Behandlung von Hochrisikobrustkrebs.

Die neuen Daten zu CDK-Inhibitoren wie Abemaciclib revolutionieren die Behandlung von Patientinnen, die nicht gut auf die herkömmliche Chemotherapie oder endokrine Therapien mit Aromatasehemmern ansprechen.


Therapieadhärenz

Therapieadhärenz und -persistenz können die Wirksamkeit einer Behandlung signifikant beeinflussen, insbesondere bei Patienten, die langfristig orale Medikamente einnehmen müssen. Diesbezüglich hat sich gezeigt, dass unterstützende Betreuungsprogramme einen positiven Einfluss auf die Patienten haben und falsche Medikamenteneinnahme und -dosierung verhindern und damit auch behandlungsbedingte Symptome und Hospitalisierungen aufgrund von UE verringern.

Welslau et al. aus Deutschland stellten Daten aus IMPACT vor, einer prospektiven, randomisierten Studie zur Untersuchung des Einflusses des Oral Agent Teaching Tool (MOATT) der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) auf die Therapiepersistenz und das Therapiemanagement im Vergleich zur routinemäßigen lokalen Patientenbetreuung.

Patientinnen mit fortgeschrittenem HR+/HER2- Brustkrebs, die Abemaciclib plus endokrine Therapie erhielten, wurden randomisiert einer Gruppe mit MOATT-Coaching oder lokalem Coaching (LC) zugeteilt. Nach 24 Wochen beurteilten die Autoren die Rate der Therapiepersistenz und -adhärenz, die Anzahl der Dosissenkungen und die Einnahmeunterbrechungen bei den Patientinnen.

Bemerkenswert ist, dass die Studie nach 24 Wochen eine Persistenzwahrscheinlichkeit von 0,71 bei LC und 0,82 bei MOATT ergab. Außerdem waren in der LC-Gruppe die Raten für dauerhaften Behandlungsabbruch (14,1 % vs. 7,8 %), Dosissenkungen (24,5 % vs. 17,2 %) und Behandlungsunterbrechungen (14,9 % vs. 10,1 %) signifikant höher als in der MOATT-Gruppe. Darüber hinaus reduzierte ein Coaching mit dem MOATT-Tool die Wahrscheinlichkeit für einen dauerhaften Behandlungsabbruch innerhalb der ersten 6 Monate um 40 %. Insgesamt erscheint das MOATT-Tool nach diesen Ergebnissen als wertvolle Strategie zur Verbesserung der Therapieadhärenz bei Patientinnen und Patienten und des Therapiemanagements bei oralen Behandlungen wie Abemaciclib.

Ferner schlagen die Autoren vor, neben Patienten auch medizinische Assistenzkräfte und andere unterstützende Personen entsprechend zu schulen, um die Therapieadhärenz und die Wirksamkeit der Behandlung weiter zu verbessern.

Auf dem Kongress wurden noch weitere autonome digitale Aufklärungs- und Überwachungsplattformen vorgestellt, auf denen patientenberichtete Outcomes und Feedback erfasst werden können. Solche Systeme können Patienten dabei helfen, UE zeitnah zu adressieren, und damit ihre Lebensqualität zu verbessern.


Imlunestrant – neue klinische Daten

Imlunestrant ist ein in der klinischen Prüfung befindlicher oraler selektiver ER-Degrader (SERD), der bei stark vorbehandelten Patientinnen mit ER+ Brustkrebs sowie auch bei jenen mit fortgeschrittenem Brustkrebs ein günstiges pharmakokinetisches und Sicherheitsprofil und vorläufige Wirksamkeit bewiesen hat. Wissenschaftler stellten Analysen der EMBER-Studie vor, in der die Sicherheit und Wirksamkeit von Imlunestrant als Monotherapie und in Kombination mit Abemaciclib bei Brustkrebs im Frühstadium und in metastasiertem Setting beurteilt wurde.

Neven et al. untersuchten den präoperativen Effekt von drei verschiedenen Dosen Imlunestrant (200/400/800 mg) bei postmenopausalen Frauen mit operablem, nicht vorbehandeltem ER+/HER2- Brustkrebs im Frühstadium. Sie bewerteten Veränderungen bei pharmakokinetischen Biomarkern wie der ER-, PR- und Ki-67-Expression sowie die Sicherheit und Verträglichkeit der Imlunestrant-Behandlung.

Bemerkenswert ist, dass die Behandlung in allen drei Dosen zu einer signifikanten Abnahme der Expression der untersuchten Biomarker führte, was auf ein effektives Targeting durch den Wirkstoff hindeutet. Darüber hinaus führte die Behandlung mit Imlunestrant nicht zu UE während der Behandlung oder Behandlungsabbrüchen und wurde von allen Patientinnen gut vertragen. Diese Erkenntnisse stützen die Entwicklung von Imlunestrant als adjuvante Therapie bei frühem und fortgeschrittenem Brustkrebs.

Jhaveri et al. stellten klinische Daten zu Imlunestrant in Kombination mit Everolimus (mTORC1-Inhibitor) bzw. Alpelisib (PI3K-Inhibitor) vor. Stark vorbehandelte Patientinnen mit fortgeschrittener Krankheit waren eingeschlossen; die Vorbehandlungen waren: Estrogentherapie (100 %), CDK4/6-Inhibitor (100 %), Fulvestrant (35 %) und Chemotherapie (17 %).

Die Analyse ergab für die Kombination von Imlunestrant mit entweder Everolimus oder Alpelisib ein besseres Wirksamkeitsprofil in Bezug auf das progressionsfreie Überleben als für die Imlunestrant-Monotherapie. Das Sicherheitsprofil stand jeweils im Einklang mit jenem, das bereits für Everolimus bzw. Alpelisib ermittelt wurde.

Im Vergleich zur Monotherapie birgt die Kombination einer endokrinen Therapie mit CDK4/6-Inhibitoren oder anderen neuen Wirkstoffen wie Imlunestrant vielversprechendes Potenzial für die Behandlung von fortgeschrittener und metastasierter Krankheit, die schlecht auf herkömmliche Therapien anspricht.


Schlussfolgerungen

  • IDFS und DRFS sollten anstelle des Gesamtüberlebens als Surrogatfaktoren bei der Auswahl einer Abemaciclib-Behandlung für Hochrisikopatientinnen berücksichtigt werden.
  • Die Wahl einer Monotherapie oder Behandlungsmodalität sollte auf den klinischen und molekularen Krankheitsmerkmalen und den individuellen Merkmalen der Patientinnen beruhen.
  • Eine Dosisreduktion von Abemaciclib hat keinen Einfluss auf dessen Wirksamkeit und sollte anstelle des Behandlungsabbruchs für das Management von UE erwogen werden.
  • Abemaciclib besitzt vielversprechendes Potenzial bei der Behandlung von Patientinnen, die schlecht auf endokrine Therapie und Chemotherapie ansprechen, sowie jenen mit hohem klinischen Rezidivrisiko, und zwar unabhängig vom ER/PR- und Ki-67-Status.
  • Digitale Aufklärungstools und Unterstützungsprogramme können zur Verbesserung von Therapieadhärenz und -wirksamkeit beitragen.
  • Imlunestrant hat in Kombination mit Abemaciclib und anderen Therapien einen vielversprechenden Nutzen bewiesen und kann zur Anwendung in adjuvanten Settings erwogen werden.

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